Georg Phillip Harsdörfer         

1607 – 1658

Schau wie wundersam die Natur sich weiset!

Wie sie Wurtzel aus manchem Stamm forttreibet,

welcher ungepflegt sonsten wild verbleibet,

und das Bauervolk in den Wäldern speiset:

 

Wann die Gartenkunst Äste ritzt und reiset,

und dem Erdenkorb’ artig einverleibet,

deren Fäserlein zarter Saft bekleibet,

wird geschlachtere Frucht darvon gepreiset.

 

Oft des Fleisses Spuhr auch zu impfen pfleget,

wann ein starken Ast man herunter säget,

daß die Reiserlein bessre Nahrung ziehen.

 

So die Teutsche Sprach’ unbemerkt verwildert,

die gesamter Fleiß reiflich-zart gemildert,

wann FruchtBringende sich hierbey bemühen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Phillip Harsdörfer         

1607 – 1658

Nunmehr studiert man nicht. Nun geht in wenig Tagen

Der welt-berufne Markt in Leipzig wieder an:

Man sieht schon hie und da die fremden Kaufmannswagen,

Die führen manches Gut und manchen Handelsmann.

 

Wer nun die Sachen nicht will in der Zeit erfragen,

Der setzt das gute Glück und seinen Nutz hintan.

Doch wer sein Vorteil will zur rechten Stund erjagen,

Derselbe mache sich mit andern auf die Bahn.

 

Die Messe wird ihm auch das Kleinste nicht versagen;

Er bringe nur bar Geld. Hier ist der freie Plan,

Da niemand weichen darf, da jeder sein Behagen

 

Nach aller Herzenslust und Hoffnung finden kann.

Doch welcher alles Geld denkt wieder heimzutragen,

Der bleibe nur davon, so hat er wohl getan.

 

 

 

 

 

 

Georg Phillip Harsdörfer          Zuschrift an alle edlen Liebhaber und

1607 – 1658                                        hochmögenden Förderer der deutschen Sprache

 

Mit Blumen fang ich an. Wann von der Wolken Zinnen

Den Blumen-Lenzen malt der Sonnen-Strahlenband,

So blühen Blumen auf. Werft auf mein Myrthenpfand,

Ihr Sonnen meines Tuns, ihr Blumen deutscher Sinnen,

 

Auch ein geneigtes Aug, so wird verblümt von hinnen

Der Blumgedichte Ruch durchduften Luft und Land.

Nehmt an mit milder Huld ein blumenreiches Band;

Durch euch wird Blum und Reim mehr Ruhm und Ruch gewinnen.

 

Nehmt, was hier aufgeblümt der Pegnitz reiner Rand,

Der Blumen-Schäfer Lust: Es läßt der Einfalts-Stand

Gelehrten Blumen-saft in deutsche Sprache rinnen.

 

Ich schlechter Blumen-Hirt leg mit getreuer Hand

Die Früchte meiner Blum zu eurer Füße Sand.

Die Blumen fruchten mehr, man wird es werden innen.

 

 

 

 

 

 

Georg Phillip Harsdörfer          Tabak trinkend die Eitelkeit betrachten

1607 – 1658

Ich lehn an dem Kamin mit überschränkten Beinen,

Halt in der linken Hand ein Pippen an den Mund,

Entzündet mit dem Licht am vollen Pfeifenschlund,

Daß des Tabaks Geruch und Rauch mich fast macht weinen.

 

Was Bacchus’ Weihrauch wirkt, kann niemand hier verneinen,

Weil er das feuchte Haupt betrucknet zu der Stund,

Führt aus die kalten Flüß und machet uns gesund;

Doch ist nur rotes Bier, das sich läßt mit vereinen.

 

Gleichwie der Äolus die Wolken führet weit,

So meister ich die Dämpfe mit finsterem Geschwürm

Und laß aus meinem Mund ein wallendes Gestürm.

 

Wie aber soll der Wust verdüstern mein Gedanken?

Soll solche Nichtigkeit auch meine Sinn umschranken?

Nein, ich schau in dem Rauch ein Bild der Eitelkeit!